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Immer (mal) wieder sonntags … lesen Sie in meinem Blog die Management-Spitzen

Der heutige Beitrag ist von Julie Richter. Sie hat langjährige Berufserfahrung als Personalleiterin und lebt heute als Personalberaterin in der Nähe von Berlin.

Julie Richter informiert Sie heute über eine Bar-Fusion. Und speziell darüber, was Goethe, Schiller und Lessing hinsichtlich dieser Fusion umtreibt. Viel Spaß mit den Management-Spitzen Nr. 11 – Die bar Probleme.

Um die Bar, deren Leitung Lessing seit Kurzem inne hatte, stand es nicht gut. Vielen Kunden hatte man zugestanden, ihre Biere und Kurzen auf Bierdeckeln anzuschreiben statt direkt zu zahlen und spätestens seit der Finanzkrise hatte die Zahlungsmoral mächtig gelitten. Auch das zweite Stand­bein, die Mittagessenversorgung der umliegenden Schulen, die Lessings Vorgänger Schiller zwecks Diversifizierung und Erschließung todsicherer Einnahmequellen aufgetan hatte, lief mehr als mäßig. Es stellte sich nämlich heraus, dass auch die Schulen kämpfen mussten und man ver­ges­sen hatte, eine Mindestabnahme zu vereinbaren ohne die sich das Ganze überhaupt nicht rechnete.

Erst vor 3 Monaten war Schiller mit großem Brimborium verabschiedet worden. Es war unklar, ob ihm die missliche Lage der Bar bewusst gewesen war oder nicht. In der Öffentlichkeit jedenfalls war er hoch angesehen. Es gab nicht viele Bars, deren Chefs das von sich sagen konnten. Lessings Bar jedenfalls war nahezu pleite, wenn nicht bald eine geniale Lösung gefunden würde. Schiller und er steckten die Köpfe zusammen und letztlich hatte Lessing die entscheidende Vision: Was, wenn man die Flucht nach vorn anträte und durch den Zukauf der Nachbar-Bar zwei Ecken weiter so tun könnte, als wären alle Probleme diesem Geschäft anzulasten? Man schaffte sich einen missliebigen Konkurrenten vom Hals und lenkte von den eigenen Problemen ab und war auf ein­mal der Held schlechthin, der eine der größten Bars in der ganzen Region leiten würde. Und man konnte es allen zeigen.

Es war bekannt, dass die andere Bar, in der Lessing früher selbst einmal tätig gewesen war, es mit dem Anschreiben noch bunter getrieben hatte. Aber sie hatte auch die zahlungskräftigere Kund­schaft und selbst wenn es im Augenblick schlecht lief, war zu erwarten, dass die Kunden nach der Krise zahlen würden. Man brauchte nur einen langen Atem. Und es kam dazu, dass die andere Bar weitaus besser gelegen war und über einige höherwertige Dependancen mit interessanter Aus­stat­tung verfügte, die man vielleicht noch zu Geld machen konnte.

Jetzt hieß es, schnell handeln und Nägel mit Köpfen zu machen. Schiller rief Goethe an, zu dessen All-Fun-Tours-Konzern die andere Bar noch immer gehörte. Es war eine Fehlentscheidung von Goethes Vorgänger gewesen, die Bar zu kaufen in der Hoffnung, die Barbesucher würden ihren Urlaub dann vor allem mit All-Fun-Tours verbringen. Das Geschäft war gründlich dane­ben­ge­gangen, und Goethe wollte das ständige Sorgenkind so schnell wie möglich loswerden. Besser hätte es nicht laufen können. Auch der Bürgermeister, dessen Meinung man vorsorglich einholte, sah das Geschäft positiv.

Besser einen großen Laden, der fast pleite war als zwei kleinere, die man wirklich schließen muss­te. Die Jungs und Mädels hätten alle auf der Straße gestanden und die öffentliche Hand belastet und außerdem wäre die gesamte Barlandschaft in der Stadt mächtig ins Wanken geraten. Allein das hatte die Transaktion gerechtfertigt. Und bis irgendjemand merken würde, dass das Ge­schäfts­modell zweimal minus nicht immer plus ergibt, würde noch eine Weile Zeit ins Land gehen.

(Personen und Handlung sind frei erfunden.)